Bei Klauseln, die also zweiseitig im Rahmen eines Ehe- und Erbvertrages abgeschlossen wurden, ist ein nachträglicher einseitiger Widerruf – bspw. nach dem Tod des Ehegatten – nicht mehr rechtsgültig möglich.
Bei Klauseln (und um solche ging es im zitierten Entscheid), die nun die Einsetzung jedes Ehegatten als Erben des anderen Ehegatten und die Nachkommen dann als Erben des verbleibenden Restbetrags beim Tod des zweiten Elternteils vorsehen, wird nach bundegerichtlicher Rechtsprechung nun Zweiseitigkeit vermutet. Diese Vermutung ist nachvollziehbar und sachlogisch, denn die Parteien schliessen in der Regel einen Vertrag ab, um unabhängig von der Reihenfolge des Versterbens Gewissheit zu haben, dass sich beide Beteiligten auch daran zu halten haben, wenn der andere Vertragspartner verstorben ist.
Aus vorerwähntem Grund empfehle ich in Beratungen daher häufig, dass auf eine erbvertragliche Verpflichtung für den Zweiversterbensfall – wenn gewollt und sinnvoll – verzichtet wird. Wird nichts zum Zweitversterbensfall geregelt, gilt das Gesetz und die Nachkommen erben zu gleichen Teilen. Will der überlebende Ehegatte diese Gleichbehandlung – aus welchem Grund auch immer – nicht, hat er noch gewisse Freiheiten, die ihm bei Zweiseitigkeit der Klausel für den Zweitversterbensfall verwehrt bleiben.
Es lohnt sich also, den Inhalt des eigenen Erbvertrages regelmässig zu überprüfen und bei Bedarf an die aktuelle Situation und den geltenden Willen anzupassen. Gerade bei älteren Erbverträgen wurde häufig für alle Bestimmungen (auch für den Zweitversterbensfall) Zweiseitigkeit gewählt. Dies kann je nach Ausgangslage nicht mehr angezeigt sein.