In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesgericht befunden, nicht offenkundig seien beispielsweise der LIBOR- und EURIBOR-Zinssatz, offizielle Statistiken von Behörden ausländischer Staaten, sich aus dem Betreibungsregister ergebende Tatsachen, Distanzen in Kilometern zwischen zwei Ortschaften, die Benzinkosten pro gefahrenen Kilometer, das Bestehen eines Konkubinats oder einer Aufenthaltsbewilligung sowie der Umstand, dass in den letzten dreissig Jahren der Strassenverkehr deutlich zugenommen habe.
Demgegenüber hat es als offenkundig etwa die Lohnstrukturerhebung und die Zusammenstellung «Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens» des Bundesamtes für Statistik, die Dauer der Wochenarbeitszeit, den Zinssatz von Bundesobligationen, die Veröffentlichung eines Firmenwechsels im Schweizerischen Handelsamtsblatt, Handelsregistereinträge, die Baukrise zu Beginn der Neunzigerjahre sowie Umrechnungskurse erachtet. In einem Urteil aus dem Jahr 2003 erklärte das Bundesgericht zudem für offenkundig, dass die Börsenkurse nach einem übermässigen Ansteigen in den Neunzigerjahren seit deren Ende wieder und stetig im Fallen begriffen seien und dass Aktien der Group E. im Urteilszeitpunkt wertlos sein dürften. Auch sei es eine offenkundige Tatsache, dass im Rahmen der Finanzkrise 2008 die Börsenkurse auf den internationalen Finanzplätzen ab dem 15. September 2008 abstürzten.
Im Urteil 5A_1048/2019 vom 30.6.2021 setzte sich das Bundesgericht mit dieser bisherigen Rechtsprechung auseinander und entschied in Bezug auf den Wert von börsenkotierten Aktien bei einer Scheidung, dass diese nicht offenkundig seien. Im Vergleich etwa zum Wechselkurs hätten diese grössere Tagesschwankungen, würden an verschiedenen Börsenplätzen gehandelt und es gäbe mannigfache Quellen, welche teilweise gar minim voneinander abweichen würden.