Wie in anderen Lebensbereichen steht die Rechtsordnung vor der grossen Herausforderung, Antworten auf die sich daraus neu stellenden Fragen zu finden. Dabei prallen unterschiedliche gesellschafts- und staatspolitische Vorstellungen aufeinander: Liberalen liegt daran, Entwicklungen möglichst freien Lauf zu lassen und den Fortschritt nicht durch rechtliche Normierungen zu behindern; von staatlichem Gestaltungsvermögen Überzeugte wollen dagegen Entwicklungen möglichst in die ihnen richtig erscheinende Richtung lenken. Solange neue spezifische Regelungen fehlen, müssen aber neue Lebenssachverhalte aufgrund noch geltender gesetzlicher Bestimmungen beurteilt werden.
Soll beispielsweise der Uber-Fahrer als Unselbständigerwerbender oder als Unternehmer angesehen werden? Wie verhält es sich beim Taxihalter, der an eine Funkzentrale angeschlossen ist? Betreibt eine Physiotherapeutin, die in einem als Kollektivgesellschaft organisierten Institut arbeitet, eine selbständige Erwerbstätigkeit oder ist sie Angestellte des Institutes? Regelmässig verfolgen die Beteiligten die Absicht, die wirtschaftliche Tätigkeit als selbständige Erwerbstätigkeit auszugestalten und nehmen dabei gewichtige Abstriche im Sozialschutz in Kauf. Wie zwei neuere Bundesgerichtsurteile zeigen, müssen sie dann aber im Streitfall von der AHV-Ausgleichskasse unter Umständen erfahren, dass aufgrund der konkret abgeschlossenen Vereinbarungen doch eine unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt. Das hat namentlich Konsequenzen auf die Beitragspflicht in der Sozialversicherung, zwingt zum Abschluss verschiedener Versicherungen, ändert die Bemessungsgrundlagen für die Einkommenssteuer und löst ev. die Mehrwertsteuerpflicht aus.
Vor solchen unliebsamen Überraschungen kann nur eine sorgfältige Gestaltung der vertraglichen Regelungen und der organisatorischen Vorkehren schützen, welche die für die rechtliche Qualifikation der Tätigkeit wichtigen Elemente beachtet, so etwa die Frage, wer welche Investitionen tätigt, wie die betroffene Person in die Organisation eingebunden ist, in deren Rahmen sie tätig ist, wie sie gegen aussen auftritt oder wie das Inkasso geregelt ist.
Dieser Beitrag wurde von Dr. Felix Walter Lanz veröffentlicht.